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Keine Sonntagsreden - Inklusion im Landkreis Waldeck-Frankenberg

Im Mai 2011 hatte das Lebenshilfe-Werk Kreis Waldeck-Frankenberg e.V. zum Sozialpolitischen Forum „Eine Schule für alle" eingeladen. Im November erfolgte auf Initiative des Landkreises WaIdeck-Frankenberg der Start zum Runden Tisch und zur Einrichtung von vier Arbeitskreisen zum Thema Inklusion. An den Diskussionen hatte auch Landrat Dr. Reinhard Kubat teilgenommen.

Welche Ziele hat sich der Landkreis gesetzt, um Inklusion als ganzheitliche Aufgabe tatsächlich umzusetzen?

Liest man die Ziele, die das Grundgesetz und die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Sachen Inklusion beschreiben, ist das eine ausgesprochen schwierige Aufgabe, nicht politisch gesehen, sondern eher aus Sicht der Bevölkerung gedacht, die sich auf das Zusammenleben mit Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Alltags vorbereiten soll.
Die Haltung der Hessischen Landesregierung dazu ist nicht gerade eine Hilfe, denn sie steht dem Thema und der Umsetzung doch sehr zurückhaltend gegenüber, anders als anderen Bundesländern oder anderen Staaten.

Welcher Betrag steht für Inklusion im Haushalt des Landkreises zur Verfügung?

Weder im Bereich Jugend, Schule noch in den Bereichen Soziale Angelegenheiten oder Sport sind spezielle Mitte dafür vorgesehen. Erstim Haushalt 2013 findet sich ein eigener Etatposten Inklusion, so die Planung, ein eher deklaratorischer Ansatz, ein Betrag von 10.000 €, z.B. für eine Informationsveranstaltung, eine Broschüre, etwas, was den Start zur Inklusion finanzieren lässt.

Gibt es einen lnklusionsbeauftragten?

Nach Rücksprache mit den zuständigen Fachdiensten in der Kreisverwaltung wurde die „Stabsstelle ländlicher Raum" mit seinem Leiter Dr. Römer beauftragt, sich speziell mit dem Thema auseinander zu setzen. Dort laufen auch die Ergebnisse der vier Arbeitskreise zusammen.

Wie viele Menschen mit Behinderungen arbeiten in der Kreisverwaltung und wo sind weitere Tätigkeiten denkbar?

Mitarbeiter im Rollstuhl sind bei uns in der Verwaltung längst Alltag. Und so sind rund sieben Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns Menschen mit Behinderungen, mit Beeinträchtigungen: Blinde, Armamputierte, Lernbehinderte. Aber Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung sind trotz der vielfältigen Arbeitsangebote in einer öffentlichen Verwaltung kaum einsetzbar. Darin liegen wohl auch die Grenzen einer allumfassenden Inklusion.

Welche Zwischenbilanz können Sie als Landrat in Sachen Inklusion in Waldeck-Frankenberg ziehen?

Ich stelle eine große Verunsicherung im schulischen Bereich fest, weil niemand so genau weiß, wohin es geht. Wir versuchen Schwerpunktbereiche zu bilden, in denen Inklusion erprobt wird - das im Wissen darum, dass wir das nicht an jeder Schule tun können. Gründe dafür sind vor allem die fehlenden sachlichen und personellen Mittel und auch die Unsicherheit, nicht zu wissen, was vom Land Hessen an Unterstützung kommen wird. Die hängt in diesem Bereich ja bereits jetzt deutlich hinterher. Es stellt sich zudem die Frage, ob und wie es eine Abgrenzung zu den derzeitigen Förderschulen geben wird, ob die überflüssig werden oder eine Bestandsberechtigung haben. Davon gehe ich übrigens sehr deutlich aus. Zudem ist nicht klar, wie sich Eltern von Kindern ohne Behinderungen / Beeinträchtigungen bei einem gleichzeitigen umfassenden Unterricht mit Kindern mit Behinderungen verhalten werden. Das ist bisher nicht erprobt worden. Diesen Schritt in die inklusive Wirklichkeit sind wir noch gar nicht gegangen.

Und wie sensibel sind Menschen außerhalb der Schule für die gesellschaftliche Verpflichtung zur Inklusion?


Es ist schwierig. Da sollte sich jeder, der nicht beruflich oder ehrenamtlich und mit häufig in der Behindertenarbeit tätig ist, selbst ehrlich prüfen. Wie viele Hemmungen sind bei uns noch vorhanden, wenn wir einen direkten Kontakt mit Menschen mit Behinderungen haben? Wie schwer fällt es uns, sich dann ganz normal zu verhalten, nicht in Kleinkindsprache zu verfallen, auch körperlichen Kontakten nicht aus dem Weg zu gehen? Auf der anderen Seite sieht man, wie begeistert die Zuschauer die sportlichen Leistungen von Menschen mit Behinderungen bei den Paralympics in London feiern.

Wie wird sich Inklusion in 20 Jahren im Landkreis Waldeck-Frankenberg darstellen? Wie wird dieser Anspruch an uns alle umgesetzt sein?

Im Bereich Bildung und Sport werden wir deutlich weiter gekommen sein. In der Schule werden Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen, im Sport wird viel mehr gemeinsam trainiert und an Wettkämpfen teilgenommen. Bauliche Barrieren werden zum großen Teil abgebaut sein. In der Grundhaltung werden die Menschen offen sein und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen unterstützen. Da bin ich mir sicher.

(Das Interview mit Landrat Dr. Reinhard Kubat führte Thomas Korte)

Quelle: Lebenshilfe - Zeitschrift für Freunde der Lebenshilfe im Kreis Waldeck-Frankenbaerg und in der Region Kassel

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